Besonders in den wachsenden Großstädten ist die Suche nach der passenden Wohnung für viele Menschen immer langwieriger und nervenaufreibender. Grund dafür ist das begrenzte Angebot geeigneter und bezahlbarer Wohnungen im städtischen Raum, das der steigenden Nachfrage einfach nicht mehr gerecht werden kann. Zur gleichen Zeit lässt sich beobachten, dass deutlich weniger Personen in einem Haushalt leben, als noch vor einigen Jahren: Die Wohnfläche pro Person wächst also stetig, während vielen Menschen der Wohntraum in der Stadt verwehrt bleibt. Und das hat allen Bemühungen um Energieeffizienz zum Trotz auch ökologische Auswirkungen:
Als Antwort auf diesen Mangel an Wohnraum werden zudem vielerorts große Neubauoffensiven gestartet, die einen enormen Flächen- und Ressourcenverbrauch nach sich ziehen. Rein theoretisch ließe sich der Bedarf jedoch (teilweise) durch die bereits bestehenden Häuser und Wohnungen decken, wenn wir diese besser nutzen würden. Komfortable Klein-Appartements, Mehrgenerationen-Häuser, Wohnen für Hilfe, Clusterwohnungen oder Wohngemeinschaften für Senior:innen sind nur einige Beispiele, wie nachhaltiges und soziales Wohnen in den Städten der Zukunft aussehen könnte. Wir sprechen in diesem Zusammenhang gerne von suffizientem Wohnen.
“Suffizienz” ist im Deutschen ein eher sperriger Begriff. Anders als beispielsweise im Spanischen, wo “genug / ausreichend” “suficiente” heißt. In eben diesem Sinn verstehen wir den Ausdruck “suffizientes Wohnen” als ausreichend und angemessen, nicht zu wenig, aber eben auch nicht zu viel. Was beim Thema Wohnraum als ausreichend und angemessen empfunden wird, ist natürlich extrem individuell. Fest steht aber, dass suffizientes Wohnen die menschlichen Grundbedürfnisse befriedigen muss, ohne dabei die ökologischen Belastungsgrenzen zu überschreiten.
Suffizientes Wohnen bedeutet dabei nicht, dass wir in unserer Wohnung auf jeglichen Komfort oder liebgewonnenes Mobiliar verzichten müssen. Es heißt vielmehr, dass wir uns ab und an die Frage stellen sollten: Was brauche ich wirklich, um mit meiner Wohnsituation zufrieden zu sein? Brauche ich ein separates Gästezimmer oder reicht auch das Schlafsofa im Wohnzimmer? Möchte ich mein eigenes Büro im Haus bzw. in der Wohnung? Oder möchte ich viel lieber mit anderen in einem Gemeinschaftsbüro arbeiten? Suffizientes Wohnen beinhaltet immer auch Flexibilität und Wandlungsfähigkeit und in vielen Fällen den sozialen Aspekt der Gemeinschaftlichkeit: Vielleicht bietet sich das vorhandene und kaum genutzte Gästezimmer als vorübergehende Unterkunft für Studierende an, die im Gegenzug bei Kinderbetreuung oder Haushaltseinkauf helfen.
Suffizientes Wohnen kann aber auch Veränderung auslösen oder durch Veränderung ausgelöst werden: Was passiert zum Beispiel, wenn die Kinder ausgezogen sind? Wie lässt sich in der kleinen Wohnung noch Nachwuchs unterbringen? Was geschieht, wenn ein Mensch plötzlich alleine lebt? Diese und ähnliche Fragen sollten wir uns frühzeitig stellen, damit der individuelle Wohnraum anpassungsfähig bleibt und sich das Wohnen nach der Lebenssituation richtet – und nicht anders herum. Wer suffizient wohnt, schaut also nicht nur auf die aktuelle Wohnsituation, sondern wirft auch immer einen Blick auf mögliche zukünftige Veränderungen. Ideen zur individuellen Gestaltung eines wohnsuffizienten Lebens scheitern häufig an den Rahmenbedingungen: Wer sich entscheidet, das Gästezimmer unterzuvermieten, muss dies als Einkommen bei der Steuer angeben – das ist ein Aufwand, den viele scheuen. Wer sich in einer Stadt mit angespanntem Wohnungs- oder Mietmarkt räumlich verkleinern möchte, wird nicht selten feststellen, dass weniger Quadratmeter bei steigenden Mieten nicht zwingend auf dem Konto spürbar werden. Selbst der direkte Wohnungstausch schützt nicht vor finanziellen Einbußen im Falle einer Wohnraumverkleinerung, da dies rechtlich eine Neuvermietung ist.
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Mit dem Projekt OptiWohn möchten wir uns systematisch der Frage widmen, wie Politik und Verwaltung suffizientes Wohnen unterstützen können. Wir fokussieren dabei auf die kommunale Ebene, wo Beratungsformate und Unterstützungsangebote für suffizientes Wohnen konkrete Veränderungen herbeiführen sollen. Aber wir betrachten auch die übergeordneten politischen Ebenen kritisch und stellen die aktuellen politischen Instrumente zur Steuerung von Immobilien- und Mietwohnungsmärkten auf den Prüfstand.