Im Wohnraumbestand schlummert enormes Potenzial
Stadt Göttingen veröffentlicht Analyse zu Flächenoptimierungspotenzialen
Haben Suffizienz-Strategien das Potenzial, einen nennenswerten Beitrag zur Schaffung von Wohnraum in Göttingen zu leisten? Und wenn ja, wo liegt dieses Potenzial genau, in welchen Stadtteilen gibt es viele ungenutzte Flächen? Um uns diesen Fragen zu nähern, haben wir, das Projektteam der Stadt Göttingen, eine Analyse von Flächenoptimierungspotenzialen im Stadtgebiet durchgeführt. Die Ergebnisse haben uns selbst überrascht:
In den letzten Jahrzehnten ist die durchschnittliche Wohnfläche pro Person in Göttingen von 22,8 m² (im Jahr 1968) auf 37,1 m² (im Jahr 2010) gestiegen. Seither ist die Wohnfläche pro Kopf im Durchschnitt etwa konstant geblieben. Schaut man sich allerdings die Durchschnittswerte in einzelnen statistischen Bezirken* an, stellt man fest: Die Wohnfläche pro Kopf ist in Göttingen sehr unterschiedlich verteilt.
Während die Wohnfläche pro Person insbesondere in Vierteln mit vielen Studierenden und Menschen mit wenig Einkommen gesunken ist, ist sie in anderen Vierteln weiter gestiegen. Wir können auch einen Zusammenhang mit Wohntypologien und dem Einkommen beobachten
Wohnraummangel und steigende Wohnflächen existieren nebeneinander, manchmal sogar im gleichen Viertel.
In einigen Teilen Göttingens liegt die durchschnittliche Wohnfläche pro Person mittlerweile sogar bei etwa 50 m². Die Gründe für die steigende Pro-Kopf-Wohnfläche sind vielfältig: die Haushalte sind kleiner und die Wohnungen größer geworden, die Ansprüche an das Wohnen gestiegen und es gibt immer mehr ältere Menschen, die häufig nach dem Auszug ihrer Kinder in einer großen Wohnung verbleiben. Es ist davon auszugehen, dass nahezu die Hälfte der Ein- und Zweifamilienhäuser in Göttingen nicht von Familien, sondern von Ein- oder Zwei-Personenhaushalten bewohnt werden. Deshalb sind es vor allem die Einfamilienhausgebiete, die vergleichsweise hohe Wohnflächen pro Person aufweisen. Aber auch in den urbaneren Vierteln mit hohem Einkommensniveau wohnen die Menschen auf großem Raum.
Mehrere Tausend Göttinger:innen leben alleine oder zu zweit in Wohnungen mit fünf oder mehr Zimmern.
Viele Zimmer werden in so einer Situation häufig gar nicht (mehr) intensiv genutzt, manchmal wird die große Wohnung oder das Haus sogar zur Belastung. Durch Umbau, Umzug, Untervermietung oder die gemeinschaftliche Nutzung von Wohnflächen könnte die Wohnqualität der Bewohner:innen wieder gesteigert und gleichzeitig Wohnraum geschaffen werden.
Um herauszufinden, wo genau diese Potenziale im Bestand liegen, haben wir anhand der Indikatoren Wohnfläche pro Person und der Anzahl der Adressen mit nur ein oder zwei gemeldeten Personen die statistischen Bezirke ausgewählt, wo wenig Menschen auf vergleichsweise viel Wohnraum wohnen. Darüber hinaus haben wir uns auch die Quartiere angeschaut, wo viele 15-18-Jährige leben, denn diese werden in den nächsten Jahren potenziell ihren derzeitigen Haushalt verlassen. Solche biographischen Umbrüche gehen häufig auch mit einer veränderten Lebenssituation und Bedürfnissen der Eltern einher – ein guter Anlass, sich über das zukünftige Wohnen Gedanken zu machen.
Es braucht vielfältige Strategien der Flächenoptimierung, weil alle Quartiere unterschiedliche Bewohner:innen- und Gebäudestrukturen aufweisen.
Die Quartiere, die ein besonders hohes Potenzial aufweisen, haben wir anschließend noch einmal genauer unter die Lupe genommen: Welche Altersgruppen wohnen in diesen Quartieren? Wie viele Familien gibt es? Welche Gebäudetypen kommen häufig vor? Es zeigte sich, dass die betrachteten Quartiere eine sehr unterschiedliche Bewohner:innen- und Gebäudestruktur aufweisen. Entsprechend vielfältig müssen Strategien der Wohnflächenoptimierung sein. Während in einigen Quartieren beispielsweise Angebote für gemeinschaftliches Wohnen infrage kommen, braucht es in andern Vierteln bessere Umzugsoptionen oder architektonische Unterstützung bei der Teilung von Einfamilienhäusern in zwei Wohnungen. Die Informationen aus der Quartiersanalyse sind eine wichtige Grundlage, um für und mit den Bewohner:innen in den Quartieren passende Angebote und Ideen zum flächensparenden Wohnen zu entwickeln: Denn nur mit ihrer Unterstützung und Initiative können wir es angehen, die Potentiale auch auszuschöpfen.
Den vollständigen Bericht zur Quartiersanalyse finden Sie hier und in unserem Downloadbereich.
*Die Stadt Göttingen ist in 18 Stadtbezirke und 69 statistische Bezirke unterteilt. Die statistischen Bezirke dienen dabei der differenzierten statistischen Betrachtung der einzelnen Stadtteile.
Autorin:
Johanna Kliegel
Johanna Kliegel ist Geographin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin. Sie ist bei der Stadt Göttingen für das Projekt OptiWohn zuständig.