Haben Sie noch Platz?
In Tübingen startet eine Beratung zu mehr Wohnflächensuffizienz
In den vergangenen Monaten haben wir ein Beratungsangebot ausgearbeitet, das Tübinger:innen dabei unterstützt, freien Platz in Wohnraum für andere umzuwandeln. Bei der Benennung unseres Angebotes war uns besonders wichtig, dass möglichst deutlich wird, welche Zielgruppen angesprochen werden sollen: nämlich diejenigen, die in ihrem Wohneigentum Platz frei haben, der für andere Personen zu Wohnraum werden kann. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, unser Beratungsangebot unter dem Motto „Haben Sie noch Platz?“ zusammenzufassen.
Die Menschen, die wir mit unserem Beratungsangebot ansprechen möchten, sind divers. Allen gemeinsam ist, dass sie bei sich zuhause ein Wohnraumpotenzial für andere identifiziert haben. Daraus haben sich fünf verschiedene Zielgruppen ergeben:
- Menschen, die in den eigenen vier Wänden wohnen und sich, beispielsweise mit Blick auf das Wohnen im Alter, verkleinern möchten
- Menschen, die ungenutzten Raum in Wohnraum umwandeln möchten, wie zum Beispiel einen Dachboden
- Menschen, die ihren Wohnraum für gemeinschaftliches Wohnen öffnen möchten
- Menschen, die zu sozialen Bedingungen vermieten möchten
- Und im Allgemeinen Menschen, die Nebenkosten einsparen möchten, dadurch, dass sich ihre eigene Wohnfläche verkleinert
Das Beratungsangebot haben wir aufbauend auf den Zielgruppen und einer Analyse der in Tübingen bereits vorhandenen Beratungsmöglichkeiten rund um das Thema Wohnen ausgearbeitet. Das Resultat sind vier verschiedene Beratungsbausteine, die je nach Beratungsbedarf einzeln oder in Kombination miteinander zum Einsatz kommen.
Der erste Baustein ist die Beratung und Begleitung bei der Suche nach alternativen Wohnformen. Zusammen mit den Ratsuchenden möchten wir herausfinden, welche Wohnform für sie die geeignete ist. Gemeinsam gehen wir Fragen nach Wohnbedürfnissen und -vorstellungen nach: Wie genau sieht der Wohntraum der Ratsuchenden aus? Wie kann das aktuelle Zuhause bestmöglich angepasst werden? Wie kann freier Platz zu einem Zuhause für andere werden? Dadurch ist dieser Beratungsbaustein häufig auch die Grundlage, um das weitere Vorgehen abzustecken.
Ein zweiter Baustein ist eine kostenlose architektonische Erstberatung, die in Kooperation mit der Architektenkammer Tübingen angeboten wird. Damit wollen wir die Beratungslücke schließen, wenn es darum geht, bestehenden Wohnraum durch Umbaumaßnahmen an veränderte Wohnbedürfnisse anzupassen und gleichzeitig die Wohnflächeneffizienz zu steigern. Das kann zum Beispiel notwendig sein, um eine große Familienwohnung in zwei eigenständige Wohneinheiten zu teilen oder um durch eine Grundrissveränderung gemeinschaftliches Wohnen zu ermöglichen. Hierfür bieten wir dann die Möglichkeit, in einem unverbindlichen Rahmen und gemeinsam mit Expert:innen verschiedene architektonische Lösungen zu durchdenken.
Als dritten Baustein wurde die bereits bestehende Beratung zur Schaffung von gefördertem Wohnraum integriert. Hier beraten wir Menschen bei der Beantragung der entsprechenden Fördermittel.
Als vierter und letzter Beratungsbaustein gibt es außerdem die Möglichkeit einer Beratung zu Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten rund um das Thema Umbau und Umwandlung von freien Flächen zu Wohnraum.
Die ersten Wochen nach dem Beratungsstart haben gezeigt, dass sich Menschen mit ganz unterschiedlichen Anliegen und Ausgangssituationen an uns wenden: Das Spektrum reicht von Tübinger:innen, die noch vor der Familienphase stehen bis zu jenen im Ruhestand, die ihre aktuelle Wohnsituation mit Blick auf das Älterwerden überdenken. Genauso vielfältig sind auch die Beratungsanliegen. Sie reichen von Tübinger:innen, die in ihrem Wohneigentum Platz für andere schaffen wollen bis zu Eigentümer:innen, die momentan leerstehenden Wohnraum reaktivieren oder freie Gewerbeflächen zu Wohnraum umwandeln wollen.
Ein Eigentümerpaar, das sich verkleinern möchte, hat über seine Beweggründe gesprochen: Vor rund 20 Jahren sind sie mit vier Kindern in eine entsprechend große Wohnung in die Tübinger Südstadt gezogen. Nach dem Auszug der Kinder stehen nun mehrere Zimmer leer. Deshalb haben sie sich die Frage gestellt, ob es nicht Möglichkeiten gibt, wie der vorhandene freie Wohnraum wieder sinnvoll genutzt werden kann. Denn wie sie sagten, sei es zwar schön, wenn die Kinder zu Besuch kommen und man ihnen einen Schlafplatz anbieten könne, allerdings sind sie auch der Meinung, dass es keine Lösung ist, den Platz ewig vorzuhalten. Deshalb entschied sich das Paar schließlich dazu, dass eine Teilung der Wohnung in zwei voneinander getrennte Wohneinheiten eine adäquate Lösung sein kann. Im Rahmen einer architektonischen Erstberatung konnten bereits erste Ideen zur Teilung besprochen werden; die anstehenden Schritte bis zum tatsächlichen Umbau werden nun weiter begleitet.
Autorin:
Hannah Kindler
Hannah Kindler ist Stadtplanerin, Geographin und Mitarbeiterin bei den Beauftragten für Wohnraum und barrierefreies Bauen der Universitätsstadt Tübingen, wo sie das Projekt OptiWohn bearbeitet.